Wissenschaftler entwickeln erstmals "Quantum-Halbleiter" der Welt

14 Februar 2024 2330
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Illustration der ersten Quanten-Halbleiterbauelement, bei dem der topologische Hautschichten-Effekt erreicht wurde. Der Elektronenfluss (blauer Kreis) entlang des Randes sorgt trotz Materialverformungen oder anderer externer Störungen für beispiellose Robustheit. Dieser Quanten-Halbleiter stellt einen Durchbruch in der Entwicklung winziger topologischer elektronischer Bauelemente dar. Bildnachweis: Christoph Mäder/pixelwg

Halbleiterbauelemente sind kleine Komponenten, die die Bewegung von Elektronen in zeitgenössischen elektronischen Geräten steuern. Sie sind unverzichtbar für die Stromversorgung einer Vielzahl von High-Tech-Produkten, darunter Mobiltelefone, Laptops, Fahrzeugsensoren sowie hochmoderne medizinische Geräte. Jedoch können Materialunreinheiten oder Temperaturschwankungen den Elektronenfluss stören und Instabilität verursachen.

Aber jetzt haben theoretische und experimentelle Physiker des Würzburg-Dresden-Exzellenzclusters ct.qmat - Complexity and Topology in Quantum Matter ein Halbleiterbauelement aus Aluminium-Gallium-Arsenid (AlGaAs) entwickelt. Der Elektronenfluss dieses Bauelements, der normalerweise anfällig für Störungen ist, wird durch ein topologisches Quantenphänomen geschützt. Diese bahnbrechende Forschung wurde kürzlich in der angesehenen Fachzeitschrift Nature Physics detailliert beschrieben.

"Dank des topologischen Hautschichten-Effekts werden alle Ströme zwischen den verschiedenen Kontakten des Quanten-Halbleiters nicht von Verunreinigungen oder anderen externen Störungen beeinträchtigt. Das macht topologische Bauelemente für die Halbleiterindustrie immer attraktiver. Sie beseitigen die Notwendigkeit für extrem hohe Materialreinheit, die derzeit die Kosten für die Elektronikfertigung in die Höhe treibt", erklärt Professor Jeroen van den Brink, Direktor des Instituts für Theoretische Festkörperphysik am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung in Dresden (IFW) und einer der Hauptuntersuchenden von ct.qmat.

Topologische Quantenmaterialien, die für ihre außergewöhnliche Robustheit bekannt sind, eignen sich ideal für stromintensive Anwendungen. "Unser Quanten-Halbleiter ist sowohl stabil als auch hochpräzise - eine seltene Kombination. Dies positioniert unser topologisches Bauelement als aufregende neue Option in der Sensor- und Verstärker-Technik."

Die Nutzung des topologischen Hautschichten-Effekts ermöglicht neue Arten von leistungsstarken elektronischen Quantenbauelementen, die auch unglaublich klein sein können. "Unser topologisches Quantenbauelement hat einen Durchmesser von etwa 0,1 Millimeter und kann noch weiter problemlos verkleinert werden", enthüllt van den Brink. Das bahnbrechende Merkmal dieser Leistung des Physikerteams aus Dresden und Würzburg ist, dass sie als erste den topologischen Hautschichten-Effekt in einem Halbleitermaterial auf mikroskopischer Ebene realisiert haben. Dieses Quantenphänomen wurde vor drei Jahren erstmals auf makroskopischer Ebene demonstriert - jedoch nur in einem künstlichen Metamaterial, nicht in einem natürlichen. Somit handelt es sich um das erste Mal, dass ein winziges, halbleiterbasiertes topologisches Quantenbauelement entwickelt wurde, das sowohl äußerst robust als auch ultrasensibel ist.

"In unserem Quantenbauelement wird die Strom-Spannungs-Beziehung durch den topologischen Hautschichten-Effekt geschützt, da sich die Elektronen am Rand befinden. Selbst bei Verunreinigungen im Halbleitermaterial bleibt der Stromfluss stabil", erklärt van den Brink. Er fährt fort: "Darüber hinaus können die Kontakte selbst die geringsten Fluktuationen im Strom oder in der Spannung erfassen. Dies macht das topologische Quantenbauelement besonders gut geeignet für hochpräzise Sensoren und Verstärker mit winzigen Durchmessern."

Erfolg wurde durch die kreative Anordnung von Materialien und Kontakten auf einem AlGaAs Halbleiterbauelement erzielt, wodurch der topologische Effekt unter extrem kalten Bedingungen und einem starken Magnetfeld induziert wurde. "Wir haben den topologischen Hautschichten-Effekt wirklich aus dem Bauelement herausgeholt", erklärt van den Brink. Das Physikteam verwendete eine zweidimensionale Halbleiterstruktur. Die Kontakte wurden so angeordnet, dass der elektrische Widerstand an den Kontaktkanten gemessen werden konnte, was den topologischen Effekt direkt erkennen ließ.

Seit 2019 untersucht ct.qmat topologische Quantenmaterialien in Würzburg und Dresden und erforscht ihr außergewöhnliches Verhalten unter extremen Bedingungen wie extrem niedrigen Temperaturen, hohem Druck oder starken magnetischen Feldern.

Der jüngste Durchbruch ist auch das Ergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit unter den Wissenschaftlern an den beiden Standorten des Clusters. Das neue Quantenbauelement, das am IFW entwickelt wurde, war eine gemeinsame Anstrengung theoretischer Physiker von der Universität Würzburg sowie theoretischer und experimenteller Forscher in Dresden. Nach der Produktion in Frankreich wurde das Bauelement in Dresden getestet. Jeroen van den Brink und seine Kollegen widmen sich nun weiter der Erforschung dieses Phänomens mit dem Ziel, es für zukünftige technologische Innovationen zu nutzen.


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