Neue Erkenntnisse zur Evolution des Pestpathogens

27 Juli 2023 770
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26. Juli 2023

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Von Eva Sittig, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Die Ursprünge der Pest reichen bis in die neolithische Zeit zurück, wobei die ältesten Funde des verursachenden Erregers Yersinia pestis von rund 5000 Jahre alten menschlichen Knochen stammen. In der Geschichte der Pest ragt die spätantike Justinianische Pest des sechsten Jahrhunderts und die so genannte "Schwarze Pest" des späten Mittelalters heraus. Sie wurden zweifelsfrei durch Y. pestis verursacht und sollen laut Schätzungen bis zu die Hälfte der Bevölkerung in Teilen Europas ausgelöscht haben. Während kleinere, regional begrenzte Ausbrüche im Laufe der Jahrhunderte auf verschiedenen Kontinenten immer wieder auftraten, kam es im 19. Jahrhundert zur dritten Pestpandemie, die bis Anfang des 20. Jahrhunderts anhielt.

Zunächst betraf sie hauptsächlich Asien, insbesondere Indien, und breitete sich anschließend weltweit aus. Mit rund 15 Millionen bestätigten Todesfällen gehört sie zu den tödlichsten Pandemien in der Geschichte der Menschheit. Die Pest tritt auch heute regional auf und ist fast immer tödlich, wenn sie nicht schnell mit Antibiotika behandelt wird.

Über Tausende von Jahren hinweg hat sich Y. pestis in zahlreiche Stämme entwickelt, sowohl durch Genübertragung als auch durch Genverlust. Forscher weltweit untersuchen die Entwicklung von Y. pestis, um mehr über die Ursachen historischer Pandemien und die Gefahren zu erfahren, die die Pest nach wie vor darstellt.

Sie untersuchen insbesondere die genetischen Eigenschaften des Erregers, die unter anderem für die Übertragung, geografische Verbreitung und Krankheitsschwere verantwortlich sind. In einer neuen Studie haben ein Forscherteam der Universität Kiel und des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön (MPI-EB) alte und moderne Y. pestis-Genome untersucht, die von der neolithischen Zeit bis zur modernen Pandemie reichen.

Die von Dr. Daniel Unterweger, Forschungsgruppenleiter am MPI-EB und der Universität Kiel, sowie Professoren Almut Nebel und Ben Krause-Kyora vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Universität Kiel geleiteten Forscher haben herausgefunden, dass Y. pestis zwischen dem Mittelalter und der modernen Pandemie ein neues genetisches Element aufgenommen haben muss, das als YpfΦ-Prophage bekannt ist und mit der Virulenz des Erregers, d.h. seiner krankheitsverursachenden Wirkung, zusammenhängt.

Das Prophage produziert ein Protein, das bestimmten Toxinen anderer Erreger, wie zum Beispiel dem Cholera-Erreger, stark ähnelt. Die Forscher, die unter anderem am Kiel Evolution Center (KEC) an der Universität Kiel beteiligt sind, haben ihre Ergebnisse kürzlich gemeinsam mit Kollegen von der Universität Süddänemark in Odense (SDU) in der Zeitschrift Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences veröffentlicht.

Das Kieler Forscherteam erhielt die genetischen Proben dank einer Zusammenarbeit mit dem Institut für Rechtsmedizin an der SDU, das Skelettmaterial aus verschiedenen dänischen Museen verwaltet. In diesem speziellen Fall untersuchten die Wissenschaftler die Skelettüberreste von 42 Personen, die zwischen dem 11. und 16. Jahrhundert in zwei dänischen Kirchhöfen bestattet wurden.

Die in den Proben enthaltene genetische Information wurde sequenziert und die darin enthaltenen Y. pestis-Gene mit anderen bereits veröffentlichten Genomen aus der neolithischen, mittelalterlichen und modernen Zeit verglichen.

'Frühere Forschungen haben gezeigt, dass der Erreger zu Beginn seiner Evolution nicht über die genetische Ausstattung verfügte, die für eine wirksame Übertragung über den Floh typisch ist und heute für die Beulenpest charakteristisch ist. Im Laufe seiner Evolution hat Y. pestis jedoch eine bemerkenswerte Virulenz erreicht, die zu den späteren Ausbrüchen einiger der tödlichsten Pandemien in der Geschichte der Menschheit beigetragen hat', sagt Dr. Joanna Bonczarowska, Erstautorin der Studie, die im Rahmen ihrer Promotion am IKMB mit Unterstützung der International Max-Planck-Research School for Evolutionary Biology (IMPRS) diese Forschung durchgeführt hat.

'In unserer Studie zeigen wir, dass alle bekannten Y. pestis-Stämme vor dem 19. Jahrhundert ein bestimmtes genetisches Element, das YpfΦ-Prophage, nicht hatten', sagt Bonczarowska.

Das Prophage wurde wahrscheinlich durch lateralen Gentransfer aus der Umwelt aufgenommen. Diese genetische Information beeinflusst die Virulenz des Erregers, d.h. die Schwere der durch eine Infektion verursachten Erkrankung. Y. pestis-Stämme, die das Prophage enthalten, haben gezeigt, dass sie eine signifikant geringere Letaldosis benötigen im Vergleich zu denen ohne YpfΦ. Die Aufnahme neuer genetischer Elemente könnte Y. pestis somit während der modernen Pestpandemie einen Vorteil verschaffen.

The mechanisms by which the prophage contributes to the increased virulence of the modern plague pathogen have not yet been researched in detail. Previous studies suggest that such new genetic information can help the pathogen to infect body tissues far away from the original site of infection. In their search for such a mechanism, the Kiel researchers examined all proteins encoded by the new DNA in question. They discovered that one of these proteins is very similar to a toxin known from other pathogens.

'This protein is similar in structure to zonula occludens toxin (ZOT), which facilitates the exchange of harmful substances between infected cells and has a damaging effect on the mucosa and epithelia. This connection was first discovered in the cholera pathogen, where it causes the typical gastroenteritis symptoms,' explains Bonczarowska. The Kiel researchers, therefore, want to investigate this ZOT-like protein in Y. pestis more closely in the future, as it offers a plausible explanation for the increased virulence of the plague pathogen in the present and recent past.

Such a rapid evolution of Y. pestis adds to the pandemic threat it continues to pose. 'Acquisition of new genetic elements may bring new symptoms of infection. These misleading signs of illness can make it difficult to diagnose plague in time and thus delay rapid treatment, which is essential for survival,' stresses Unterweger. 'In addition, some strains of the plague pathogen are already showing resistance to various antibiotics, which further contributes to the great potential danger of this disease,' Unterweger continues.

An important aspect of the work is also the newly discovered parallels to other bacterial species, as genetic elements highly similar to YpfΦ, were also found in other bacteria. These findings provide clues to their future evolution towards increased virulence.

Overall, the research results underline that there is a great deal of knowledge to be gained for modern science and medical application in the study of historical disease evolution using aDNA, which goes back hundreds or even thousands of years. 'Understanding how the pathogen was able to increase its harmfulness in the past, sometimes by leap evolution, will help us detect new forms of the disease and prevent new pandemics in the future,' summarizes Krause-Kyora.

Journal information: Proceedings of the Royal Society B

Provided by Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

 


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